Eine informative Entscheidung des OLG Hamm, bei der es um die Prüfung eines Schadensersatzanspruchs gegen ein Bundesland wegen Bewertungsfehler seiner Prüfer in zwei Klausuren des 1. Staatsexamens ging und einer interessanten Behandlung der Verzahnung zwischen Verwaltungs- und Zivilrecht.
Der Kläger war durch den „Freiversuch“ im 1. Staatsexamen gefallen und war im Anschluss gegen den Bescheid des Justizprüfungsamts, mit welchem das 1. Staatsexamen für nicht bestanden erklärt wurde, vorgegangen.
Nachdem der Kläger im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheids wegen Bewertungsfehlern in zwei öffentlich-rechtlichen Klausuren errungen hatte, begehrte er auf dem Zivilrechtsweg den Ersatz seines geltend gemachten Schadens, manifestiert durch Verdienstausfall und Studiengebühren.
Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen, das OLG Hamm hatte die Berufung zurückgewiesen.
Dieses räumte zwar ein, dass dem beklagten Land eine schuldhafte Amtspflichtverletzung zur Last falle, weil bei beiden öffentlich-rechtlichen Klausuren des Klägers fehlerhafte Bewertungsmaßstäbe angelegt wurden und somit gegen das Gebot zum rechtmäßigen Verwaltungshandeln verstoßen wurde.
Die Amtspflichtverletzungen seien auch fahrlässig und daher schuldhaft geschehen. Hinsichtlich der Klausurbewertung müsse sich das Land das Verschulden der von ihm zur Erfüllung seiner Aufgaben herangezogenen Prüfer zurechnen lassen.
Jedoch könne nicht festgestellt werden, dass die fehlerhafte Bewertung der beiden Klausuren den geltend gemachten Schaden verursacht hätten. Denn der Kläger hätte es nicht vermocht, den ihm obliegenden Nachweis zu führen, dass sich bei einem pflichtgemäßen Handeln auf Seiten der Prüfer und des JPA die Dinge anders als bei dem tatsächlichen Verlauf entwickelt hätten und sich seine Vermögenslage dadurch günstiger darstellen würde.
Ungeachtet der Bewertungsfehler bei den beiden öffentlich-rechtlichen Klausuren des Klägers stehe nicht zugleich fest, dass bei Anwendung zutreffender Bewertungsmaßstäbe die Klausuren besser und dabei mindestens mit der Note “ausreichend (4 Punkte)” hätten bewertet werden müssen.
Die Bewertung einer Prüfungsleistung liege im sachgerecht auszuübenden Ermessen der Prüfer und erfordere regelmäßig nicht die Vergabe einer bestimmten Note. Vielmehr verbleibe den Prüfern ein Beurteilungsspielraum, in welchem Maße sie Vorzüge und Schwächen einer Prüfungsleistung gewichten, sofern sie dabei vertretbare Beurteilungsmaßstäbe anlegen.
Die nicht auszuräumende Möglichkeit, dass auch bei sachgerechter Ermessensausübung bei der Bewertung der Prüfungsleistungen des Klägers keine Anhebung der Gesamtnote erfolgt und somit eine gleichlautende Bescheidung der Prüfungsleistung erfolgt wäre, wirke sich zu Lasten des beweisbelasteten Klägers aus.
Denn das über den Schadensersatzanspruch entscheidende Zivilgericht dürfe nicht sein Ermessen an die Stelle des Ermessens der Behörde setzen. Vielmehr muss sich das Zivilgericht auf die Prüfung beschränken, ob die Behörde die angegriffene Entscheidung hätte treffen dürfen. Nur wenn feststeht, dass bei fehlerfreien Verhalten eine andere für den Kläger günstige Ermessensausübung vorgenommen worden wäre und damit der mit der Klage geltend gemachte Schaden bei fehlerfreier Ermessensausübung nicht eingetreten wäre, ist die Feststellung des Ursachenzusammenhangs möglich. Kann hingegen nicht ausgeschlossen werden, dass dasselbe Ergebnis auch bei fehlerfreier Ermessensausübung erzielt worden wäre, entfalle ein Schadensersatzanspruch.
Jedoch war eine Bewertung der beiden öffentlich-rechtlichen Klausuren des Klägers mit der Note “mangelhaft” ohne Ermessensverstoß vertretbar.
Az.: OLG Hamm vom 08.12.2018, 11 U 104/16